Eltern regen regionales Immobilienmanagement für die Schulen an

Nachhaltige Lösungen für die maroden Berliner Schulen: Fehlanzeige. Außer viel Geld aus dem Sonderinvestitionsprogramm „wachsende Stadt“ (Mittel, die es ohne den Protest der Berliner Eltern nicht gäbe) gibt es keine weitere Perspektive. Kein Plan, keine Transparenz, keine Neuordnung von Organisationsstrukturen.

Birgitt Unteutsch will das nicht hinnehmen. Die BEA-Vorsitzende schlägt einen Modellversuch „Regional-BIM“ vor. Nach dem Vorbild der landeseigenen Berliner Immobilien Management Gesellschaft soll hier der Bestand erfasst, der Sanierungsbedarf ermittelt und notwendige Arbeiten geplant und koordiniert werden.

„Geht nicht, gibt’s nicht“: Dieser Schlachtruf von Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) im Februar 2015 zum gemeinsamen Vorgehen von Land und Bezirken, den Sanierungsstau bei den Schulen 2015 aufzuheben, erweckte bei vielen Eltern neue Hoffnung. Geld sei zur Abwechslung mal nicht das Problem, es gehe jetzt eher um die Haltung und den Willen aller Beteiligten, die Mittel effektiv und nach transparenten Kriterien zu verbauen, sagte Scheeres. Damals.

Und nun? Nun müssen wir schon wieder erfahren, dass erstmal und schon wieder etwas nicht geht: Die Unterrichtscontainer an drei Schulen in Steglitz-Zehlendorf bleiben noch länger geschlossen als gedacht. Wir zitieren an dieser Stelle einfach mal den „Checkpoint“ von Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt, der die Sache gut auf den Punkt bringt:

„O-Ton von Schulstadträtin Cerstin Richter-Kotowski (CDU/Steglitz-Zehlendorf) nach der Sperrung einsturzgefährdeter Schulcontainer (MUR): Es gibt eine gute Nachricht – die MUR sind notsanierbar.“ Was seitdem geschah: Eine dem Immobilienstadtrat Michael Karnetzki (SPD) unterstellte Behörde ließ Stützpfeiler einbauen. Die dem Stadtentwicklungsstadtrat Norbert Schmidt (CDU) unterstellte Bauaufsicht untersagte nach dem Einbau der Pfeiler die Nutzung der Pfeiler, weil sie nicht den Brandschutzvorschriften entsprechen. Die für Tiefbau zuständige Stadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne/außerdem: Jugend, Gesundheit und Umwelt) war unabkömmlich mit dem Hundeverbot am Schlachtensee beschäftigt. Richter-Kotowski hat keine gute Nachricht mehr zu verkünden und verweist auf Karnetzki. Der ist im Urlaub und verweist auf Schmidt. Schmidt ist auch im Urlaub (bis Juni) – Fortsetzung folgt.“

Immer wieder werden wir in diesem Bezirk mit neuen Hiobsbotschaften konfrontiert. Deshalb möchten wir an dieser Stelle als Bezirkselternausschuss (BEA) eine Zwischenbilanz ziehen:
Eigentlich ist die Politik, dachten wir, längst aufgewacht: Denn eine Podiumsdiskussion mit  prominenter politischer Beteiligung am 26. Januar 2015 in Steglitz-Zehlendorf zum Sanierungsstau hatte ein kleines Erdbeben in der Koalition ausgelöst: Plötzlich wurde vielen Abgeordneten im Land bewusst, dass „Räume“ und deren Qualität eine wichtige Bezugsgröße in der Bildungspolitik darstellen. Die Koalitionsfraktionen korrigierten daher den Vorschlag des Finanzsenators Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) bei dem für Investitionen zur Verfügung stehenden Teil des Jahresüberschusses aus 2014 und setzten bewusst den Schwerpunkt bei der Sanierung der Berliner Schulen.

Manche mögen nun denken, es sei noch zu früh für eine solche Zwischenbilanz, schließlich habe der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses doch erst am 22. April 2015 die von Senat und Bezirken gesammelten Vorschläge für Investitionen in Höhe von 496 Millionen Euro beschlossen. Nach jahrelangem Sparkurs fiel es nicht schwer, diese große Summe zu verplanen, die 2015 aus dem neuen „Sondervermögen Infrastruktur der wachsenden Stadt“ (SIWA) fließen wird: Rund 120 Millionen Euro dürfen die Bezirke zusätzlich ausgeben, um vor allem Schulen, aber auch Straßen, Spielplätze und Jugendeinrichtungen zu sanieren.

Die wesentliche Frage ist derzeit die nach den Umsetzungsmöglichkeiten innerhalb der Bezirke.

Wie werden die Bezirke in die Lage versetzt, diese zusätzlichen Gelder bis Ende 2015 fristgemäß mit dem vorhandenen Personal zu beplanen und anschließend zu verbauen? Senator Kollatz-Ahnen hat  offenbar mehrfach den Bezirken die Unterstützung bei größeren Projekten durch die Senatsverwaltung  für Stadtentwicklung, die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) oder die ebenfalls landeseigene Berlinovo angeboten. In Steglitz-Zehlendorf soll beispielsweise die Baumaßnahme am Fichtenberg-Gymnasium der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung übertragen werden.

Doch wie weit geht dieses Angebot, wenn alle 12  Bezirke gleichzeitig Unterstützung anfordern?

Wie werden zudem die Bezirke „kontrolliert“, dass sie tatsächlich die zusätzlich bereitgestellten Mittel zu mindestens 70% in die Schulsanierung fließen lassen?

Die Erfahrungen der letzten Monate auf Bezirksebene zeigen,

– dass notwendige Stellen nach neun (!) Monaten endlich unmittelbar vor der Besetzung stehen sollen,

– dass von Verantwortlichen nicht nachvollziehbar erklärt werden kann, welche Rücklagen existieren und wie sie für welche Schulen genutzt werden,

– dass jegliche Transparenz im Hinblick auf die Kriterien fehlt, nach denen Schulen auf die SIWA- und andere Listen kommen,

– dass bereits die ersten Schulen, die auf den regulären Listen des Schul- und Sportanlagensanierungsprogramms 2015 stehen, angeschrieben wurden und die Verschiebung der Maßnahmen angekündigt wurde,

– dass der gemeinsame politische Wille aller Beteiligten (Schulamt, Schulträger, Hochbauservice, BVV) mit konstruktiven, lösungsorientierten Beiträgen zur Abarbeitung des Sanierungsstaus fehlt,

– dass es keine durchgängig transparenten Informationen für alle Beteiligten gibt, nur wenn wir konsequent nachfragen!

Dies lässt eher befürchten, dass am Ende des Jahres (in acht Monaten!) die regulären Haushaltsmittel in Steglitz-Zehlendorf wieder, wie 2014, in erheblicher Größenordnung zurückgegeben werden müssen.

Bei immer wieder neu auftretenden Gebäudeschäden (siehe das obige Beispiel, akut einsturzgefährdeter Haupteingang an einem Gymnasium, gesperrte Sporthallen) zeigt sich, dass weder die jährlich vorhandenen, noch die neuen Toiletten- oder SIWA-Sonderprogramme in Summe auf Dauer ausreichen werden.

Es fehlt immer noch der Fahrplan, die Unterscheidung zwischen akuten Sofortmaßnahmen und einer mittel- bis langfristigen Strategie; diese Fragen müssen dringend insgesamt für das Land Berlin geklärt werden, bevor neu bewertet werden kann, ob die Mittelhöhe angemessen ist. Es ist höchste Zeit, diesen Diskussionsprozess mit allen Verantwortlichen auf Landes- und Bezirksebene zu beginnen. Die SIWA–Mittel unterliegen der Konjunktur. Kein Politiker kann und wird seriös behaupten, dass diese Mittel auch in den nächsten 10 Jahren sprudeln werden, um den Sanierungsstau bei den Berliner Schulen in absehbarer Zeit abzutragen.

Ein Blick über die Stadtgrenzen kann sich lohnen: In Hamburg ist man mit der Gründung des Landesbetriebs „Schulbau“ als Eigentümerin der Grundstücke und Gebäude aller staatlichen allgemein bildenden und beruflichen Schulen zur zentralen Neubauplanung, Instandhaltung und Sanierung einen anderen Weg gegangen. Hier existiert ein professionelles Gebäudemanagement, das nicht der Jährlichkeit der Kameralistik unterliegt. Zudem gibt es einen mit der Schulbehörde und auf vernünftigen, zeitnah erstellten und aktualisierten Schulentwicklungsplänen abgestimmten Rahmenplan für alle 400 Schulen, aus dem übersichtlich und transparent hervorgeht, welche Schule welchen Sanierungsbedarf hat, die Gesamtkosten, der Planungsbeginn, der Baubeginn sowie die Baufertigstellung einer Maßnahme.

Alle Schulgebäude werden nach aktuellen pädagogischen Gesichtspunkten und technischen Standards unter besonderer Berücksichtigung umweltpolitischer Gesichtspunkte errichtet. Die Planungen werden intensiv im Vorfeld mit den Schulen abgestimmt. Die Schulen können beispielsweise innerhalb der festgelegten Zubaufläche die Raumgrößen und -zuschnitte individuell festlegen. So schafft man Verlässlichkeit und Transparenz!

Die Antwort der Senatsbildungsverwaltung im Februar 2015 auf die Anfrage des Abgeordneten Langenbrinck (SPD), ob das Hamburger Modell für Berliner Verhältnisse in Betracht gezogen werden könne, fiel sehr zurückhaltend aus.

Im Rahmen der Reformagenda 2006 des damaligen Senats hätten die Bezirke ihre Gebäudeverwaltung einer umfassenden und erfolgreichen Reorganisation im Sinne eines modernen Facility Management-Systems unterzogen. Die entsprechenden Standards (Organisationsstrukturen, Leistungsbilder, Rollenmodelle, Datenbank-strukturen etc…) seien bezirkseinheitlich festgelegt.  Dieses Organisationsmodell habe sich im Grundsatz bewährt, so dass der Senat aktuell keine Notwendigkeit einer grundlegenden institutionellen Reorganisation sehe.

Im Bezirk Steglitz-Zehlendorf ist von diesen modernen Organisationsstrukturen wenig zu spüren.

Möglicherweise ist derzeit eine große allumfassende Lösung analog Hamburg in der Tat zu viel verlangt und überfordert alle Beteiligten. Aufgrund der Berliner Verfassung, des zweistufigen Aufbaus von Bezirken und Landesverwaltung, scheint dieser Weg politisch nicht durchsetzbar.

Kein Politiker auf Bezirks- und Landesebene kann hingegen mehr ernsthaft bestreiten, dass jetzt über eine langfristige Strategie nachgedacht werden muss: die Einführung eines professionellen transparenten Gebäudemanagements und – damit einhergehend  –  eine Verstetigung der Haushaltsmittel sind notwendig. Und deswegen sind auch Kreativität und Mut bei allen Beteiligten gefordert.

Um die politische Debatte neu anzustoßen, schlägt der BEA Steglitz-Zehlendorf daher vor, eine Regional-BIM als Modellprojekt zu starten:  zwei bis drei Bezirke schließen sich mit Unterstützung und Beteiligung des Landes zusammen und führen eine BIM auf regionaler Ebene ein. Schulsanierung und Schulneubau könnten durch die Synergieeffekte  auf hohem Niveau möglich werden und die Qualität in den Mittelpunkt stellen.

Unser aller Ziel muss es sein, den Sanierungsstau in absehbarer Zeit entscheidend abzubauen und gute Schulgebäude zu errichten, in denen auch zukünftige Schülergenerationen gern lernen. Wir hoffen, es finden sich Bezirke, die eine Vorreiterrolle übernehmen wollen.

Unser Bezirk mit dem höchsten Sanierungsbedarf berlinweit scheint dafür prädestiniert zu sein.

Geht nicht, gibt’s nicht!

Der Beitrag erschien zuerst im Zehlendorf Blog des Berliner Tagesspiegels:
http://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/zehlendorf/marode-schulen-in-steglitz-zehlendorf-wir-fordern-mut-und-kreativitaet/11730194.html