Grüne: Eine halbe Milliarde Euro für die Schulen – pro Jahr

Stefanie Remlinger ist nicht bekannt als populistische anbiedernde Parteifunktionärin. Vielmehr gilt die fraktionsübergreifend geschätzte Bildungsexpertin als seriöse Haushaltspolitikerin.

Sie rechnet vor: kaputte Schulen plus mehr Kinder also mehr Gebäude – macht knapp eine halbe Milliarde Euro pro Jahr. „Ehrlich“ nennt sie ihre Zahlen, und „absolut notwendig“.

Woher das Geld kommen soll? Und welches unterbesetztes Bauamt das abarbeiten soll? Und wie sollen konkret Verwaltungsabläufe „entschlackt“ werden? Fragen Sie Frau Remlinger. Nutzen Sie die Kommentarfunktion, diskutieren Sie mit!

Stefanie Remlinger ist seit September 2011 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Sie ist die Sprecherin für Bildungs- und Haushaltspolitik sowie für berufliche Bildung. Sie studierte an der Universität Würzburg und an der Universität Passau Sprachen, Wirtschafts- und Kulturraumstudien. Seit 1999 lebt sie in Pankow.

 Lesen Sie ihre Antwort auf unsere Frage, wie die Berliner Grünen dem Sanierungsstau an den Schulen begegnen will:
Genug mit „Sparen, bis es riecht“!

2 Milliarden Euro Sanierungsstau an Berlins Schulen. Mit dieser gewaltigen Summe sind Eltern, Lehrkräfte wie auch Bildungspolitiker seit mehreren Jahren konfrontiert, obwohl das höchstens eine grobe Schätzung des tatsächlichen Bedarfs sein kann. Von Klaus Wowereits Politik des „Sparen, bis es quietscht“ sind Berlins Schulen – Stichwort Toiletten – längst beim desaströsen Zustand des „Sparen, bis es riecht“ angekommen.

Es wird Zeit, dass sich die Berliner Bildungspolitik ehrlich macht und konkrete Zahlen des Investitionsbedarfs nennt, anstatt mit Trostpflaster-Finanzierungen (Toilettensanierungsprogramm) oder Bürokratie-Monstern wie dem 7000 Euro-Programm Bezirken und Schulleitungen auf den Keks zu gehen. Der konkrete Bedarf stellt eine enorme Herausforderung dar, dem sich Politik und Gesellschaft zu stellen haben:

Pro Jahr brauchen wir 270 Millionen Euro an Sanierungsmittel, um den ruinösen Verfall unserer Schulgebäude zu stoppen. Dieser Summe liegt ein Ansatz der Wohnungswirtschaft zu Grunde, die pro Jahr für den Unterhalt von Immobilien von 2,5 % des Wiederbeschaffungswerts ansetzt.

Nach konservativer Berechnung benötigen wir 41-68 neue Grundschul-Züge bis 2022/23. Das entspricht etwa zehn Grundschulen. Der Preis für den Neubau liegt bei 100-150 Millionen Euro.

Die Integrierten Sekundarschulen rechnen mit 61-80 zusätzlichen Zügen, die in den kommenden knapp zehn Jahren geschaffen werden müssen. Dazu kommen etwa 30 Züge an den Gymnasien. Zusammen genommen benötigen wir 200-250 Millionen Euro für adäquate Neubauten.

Ob diese Summen angesichts der in großer Zahl zu uns kommenden Menschen reichen werden, sei dahingestellt. Wichtig ist es zu begreifen, dass wir konservativ gerechnet schnellstens 400 Millionen Euro für neue Schulen zur Verfügung stellen müssen! Das dürfen nach unserer Ansicht keine Container-Kisten, sondern müssen anständige, auf Nachhaltigkeit und pädagogische Qualität angelegte Schulen sein. Nach Vorstellungen von Bündnis 90/Die Grünen wären das Immobilien, die bei nur 3-5% höheren Baukosten auch energetisch auf dem neuesten Stand sind, also mehr Energie erzeugen als sie selbst verbrauchen. Und schnell kann man das auch bauen – wenn man den Mut hat, die Verfahrensabläufe der Verwaltungen zu entschlacken.

Noch ein Gedanke zu den Containern, „Modulare Ergänzungsbauten“ und anderen Monstrositäten, die sich heute Schulbau nennen dürfen: Würden Sie, wenn Sie ein Eigenheim bauten, lieber in einem festen Haus oder in einer Sammlung von Wohncontainern leben? Die Antwort dürfte relativ klar ausfallen. Warum finden dann so viele Menschen dasselbe als Schulbau völlig okay? Wenn es um Ehrlichkeit in der Bildungspolitik geht sollte man begreifen, dass sich Ganztags-Unterricht mit notdürftigen Bauten nicht verträgt. Das Gebäude als „3. Pädagoge“ ist keine leere Phrase, sondern drückt die Wertschätzung für eine zeitgemäße, moderne Bildungspolitik aus – für Schülerinnen und Schüler, wie auch für Lehrkräfte von den ErzieherInnen über die Lehrkräfte bis hin zu SozialarbeiterInnen, SekretärInnen und HausmeisterInnen.

Sanierung und Neubau von Schulen werden uns in der kommenden Dekade jährlich knapp eine halbe Milliarde Euro kosten. Das ist wirklich eine große Herausforderung. Manchen mag das auch zu viel sein. Aber die Zahl ist ehrlich. Und die Investitionen sind absolut notwendig, ohne Wenn und Aber. Wer diese Zahl und ihre Notwendigkeit noch immer nicht einsieht, war nie zu Gast an einer beliebigen Berliner Schule. Ich kann allen Zweiflern versprechen, dass sich die Ausgaben lohnen werden. Eine bessere Umsatzrendite für die Gesellschaft werden Sie nirgendwo bekommen.
Ihre

Stefanie Remlinger

 

P.S. Die Forderungen des BEA und der Stiftung Bildung teilen wir als Grüne vollumfänglich – vgl. http://gruene-berlin.de/sites/gruene-berlin.de/files/beschluss_zukunftsprogramm_bildung_0.p

sowie http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/DruckSachen/d17-1955.pdf

Mehr zu meiner Arbeit zum Thema Schulbau/Schulsanierung finden Sie unter: http://stefanie-remlinger.de/tag/schulsanierung/

Korrektur:
In einer früheren Version war die Rede von einer Milliarde Euro, die nötig seien, Stefanie Remlinger teilte dazu mit: „Ich habe nach der Veröffentlichung gesehen, dass ich die falsche Textfassung geschickt habe. Eine Milliarde pro Jahr ist unseriös – knappe halbe, dafür habe ich die Beschlusslage meiner Partei und Fraktion im Rücken. Mehr würde man wirklich auch nicht verbaut bekommen.“
/dt