Advent

Der Advent ist im Berliner Südwesten eine ganz besondere Zeit.  Wenn im Sommer die Schule wieder angefangen hat, im Herbst die Elternvertretungen neu gewählt wurden und nach den Ferien die konstituierende Sitzung des Bezirkselternausschusses stattgefunden hat, dann ist im November immer eine sehr spezielle Sitzung. Die Gremien haben getagt, Mängel wurden offenkundig, Ärger und Fassungslosigkeit machen sich breit. Bei den noch recht frisch motivierten Elternvertretern kommt der Wunsch auf „etwas zu tun“.

Vor einigen Jahren hat der BEA Steglitz-Zehlendorf für diese „Etwas tun wollen“ von Eltern und Pädagogen eine Plattform geschaffen. Die Vermutung: In den Schulen gibt es Mängel, aber Politik und Verwaltung wissen davon nichts. Weil sie Beschwerden nicht ernst nehmen, Probleme ignorieren oder auch einfach nichts davon wissen. Wie wir heute wissen, war (und ist) von Ignoranz bis Ahnungslosigkeit wirklich alles dabei.

Verschiedene Mailaktionen waren der gelungene Versuch, auf besondere Weise Öffentlichkeit herzustellen. Jeden Tag vom 1. bis zum 24. Dezember erhielten Politik und Verwaltung in Bezirk und Land eine Mail. Jeden Tag stellte eine andere Schule ihr besonderes Problem vor. Außerdem im Verteiler: Pressevertretungen und eine Menge Eltern und Lehrerkräfte, die die Schreiben im Schneeballsystem weiterverteilten.

Es war ein Wagnis. Den Ruf der Schule zu beschädigen war die Sorge vieler Schulleitungen und Lehrkräfte und viele zögerten zunächst und beteiligten sich erst als sie die positiven Effekte wahrnahmen: Aufmerksamkeit, Sympathie, Öffentlichkeit. Die Eltern sind da naturgemäß schmerzbefreiter, da sie nicht Teil der hierarchischen Schul- und Verwaltungsstruktur sind. Ihre Briefe sind im Adventskalender 2006 nachzulesen.

Ein Damm war gebrochen, das Vertrauen in die Kampagnenfähigkeit der Berliner Elternschaft hergestellt und im Jahr 2008 folgte ein Adventskalender mit einer berlinweiten Beteiligung und einer großen Resonanz. Spätestens seitdem ist allen klar, dass Berliner Schulen ein riesiges Problem mit der Substanz ihrer Gebäude haben. Es lohnt sich, mal hineinzulesen. Die Berichte sind teilweise so haarsträubend und schockierend wie wir es selbst nicht erwartet hätten.

Hat sich etwas verändert? Punktuell ja, insgesamt wird die Situation immer schlimmer. Das Beispiel Fichteberg-Gymnasium zeigt das sehr eindrücklich. Nachdem im Adventskalender 2008 von Deckenplatten berichtet wurde, die dem Schullleiter auf den Schreibtisch fielen – die darübergelegenen Fachräume für Naturwissenschaften waren verrottet und auch die Leitungen waren undicht – wurden hier auch schon die maroden Fenster angesprochen. Diese sowie die Fassade und das Dach waren Gegenstand des Adventskalenders 2010.

Seit kurzem steht zum Schutz für Passanten um die Schule herum  ein Bauzaun. Die Fassade löst sich und fällt herunter.

Es ist ein Trauerspiel. Denkmalgeschützte Bauwerke suchen nach ihrem Retter in silberner Rüstung. Engagierte Menschen kämpfen mit ihrem zeitlichen und finanziellen Einsatz wie Don Quijote gegen die Windmühlen und fühlen sich dabei meist wie Sisyphos. Das Wissen ist inzwischen vorhanden: Nicht erledigte Sanierungen bedeuten einen hohen Wertverlust. Weitere Verzögerungen lassen die Kosten weiter steigen. Wie lange reden wir uns hierüber den Mund fusselig? Viel zu lange.

Nun, es ist Advent.
Es wird.
Ganz schrecklich.
Gemütlich werden.

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