Hinter Türchen Nr. 14 erwartet Sie ein Blick in die Zukunft: Irgendwann, in wenigen Jahren, werden die heute angekommenen Flüchtlinge ihre Notunterkünfte verlassen haben. Die Turnhallen sind wieder ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt. Die provisorischen Wohncontainer…
…landen in den Schulen.
Irgendjemand wird diese Maßnahme als großartige Wohltat verkaufen. Von „Upcycling“ und „Nachhaltigkeit“ wird die Rede sein. Baugenehmigungen? Standsicherheit? Unwichtig. Hauptsache, es gibt Klassenräume für die Kinder, von denen immer noch niemand so recht weiß wo sie eigentlich herkommen. So plötzlich.
Glauben Sie nicht?
Ist alles schon mal dagewesen.
Einem geschenkten Gaul – schaut man nicht ins Maul.
1993, erinnert sich Schulleiter Rainer Belusa, bekam die Kronach-Grundschule in Lichterfelde einen Container geschenkt. Eine große Kiste für den Schulhof, 8 neue Klassenzimmer für die übergroße Kinderschar.
Es waren ausrangierte Flüchtlingsunterkünfte. Für die Schulen in ganz Berlin gerade gut genug, eine billige Lösung für Senat und Bezirk.Die „temporären Bauten“, wie die Container beschönigend genannt werden, hatten Baugenehmigungen für „höchstens 15 Jahre“, weiß Belusa. Der Schulleiter hat sich in den vergangenen Monaten etwas genauer mit den Besonderheiten der Häuser beschäftigen müssen. Wegen Einsturzgefahr war sein „Pavillon“, wie ihn Lehrer und Schüler nennen, im Frühjahr gesperrt worden.
1998, hat der Direktor gelernt, wurde die Schenkung offiziell besiegelt. Damals wurden auch die Unterlagen übergeben, für die sich aber offenbar niemand interessierte. Die befristete Baugenehmigung verschwand zwischen Aktendeckeln – die erst Jahre später wieder geöffnet werden sollten.
Anlass war eine statische Überprüfung der mobilen Bauten in der Mühlenau-Grundschule in Zehlendorf. Hier stehen Container gleichen Typs. Und bei einer Einschätzung der Frage nach einer möglichen Sanierung entdeckte der Statiker Probleme mit den Stahlträgern, die Wände und Decken stützen. Eine sofortige Sperrung der Klassenräume war die Folge.
„Die Bezirke hätten sich schon damals kümmern müssen“, ärgert sich Rainer Belusa. Die Bezirksämter haben aber ganz offensichtlich ihre Verantwortung nicht wahrgenommen. Die Bauunterlagen seien zunächst nicht gefunden worden. „Die waren einfach weg“, so der Schulleiter, „irgendwo in Spandau hat man sie schließlich gefunden.“
Rainer Belusa hat seinen 60. Geburtstag hinter sich, in absehbarer Zeit geht er in Pension. So richtig aufregen über derlei Stümperei will er sich nicht mehr. Recht entspannt sitzt er daher am Besuchertisch seines Büros, dessen Türen selten geschlossen sind, und spricht über die Themen, derentwegen Eltern der Schule in der Vergangenheit die Öffentlichkeit gesucht haben.
Die Sporthalle ist schnell abgehakt. „Die ist saniert, das Dach ist dicht.“
Das Thema Ganztagsschule dagegen hat Eltern und Lehrer dagegen über mehrere Jahre beschäftigt. 2004 wurde die Kronachschule auf Antrag der Schulkonferenz zur gebundenen Ganztagsgrundschule. Alle Kinder sollten von nun an an vier Tagen der Woche von 8 bis 16 Uhr verbindlich an der Schule lernen. Entscheidendes Argument für das oberste Schulgremium: Das – unverbindliche – Versprechen des damaligen Senators Klaus Böger, den gebundenen Ganztagesschulen in Berlin mehr Lehrer zu geben als den Schulen mit Hortbetrieb.„Bevor das Kollegium sich für dieses Konzept entschied, war der Schule ein zusätzliches Gebäude versprochen worden“, schrieben die Eltern im Adventskalender 2008. Stattdessen wurden dem Schulflur Räume abgerungen. Mit der Folge, dass die Zimmer bis heute im Winter nicht richtig warm werden. Die Heizung sei eben nicht für ein Klassenzimmer ausgelegt, sondern nur für den Hausgang, erklärt Schulleiter Belusa.
„Wir Eltern haben uns bewusst für die gebundene Ganztagsschule entschieden. Weil es den zahlreichen Berufstätigen unter uns entgegenkommt. Vor allem aber, weil wir die Ganztagsschule für das Modell der Zukunft halten“, sagten die Eltern vor sieben Jahren. Und weiter: “ Ein rhythmisierter Schultag, in dem die Kinder besser und mehr lernen bleibt aber nur ein Traum, wenn die verantwortlichen Senatoren und Politiker nicht bereit sind, die erforderlichen Mittel in die Hand zu nehmen um die notwendigen personellen und räumlichen Voraussetzungen zu schaffen.“
Ausgeträumt. Nach einem Beschluss der Schulkonferenz, das gebundene Modell aufzugeben, ist die Kronachschule heute eine offene Ganztagsschule mit Nachmittagsbetreuung.
Die Verbindliche Ganztagsschule ist für Rainer Belusa nach wie vor das Modell der Zukunft. „Es ist die bessere Schulform“, sagt er. Alles andere ist ein Kompromiss. Eine Verlegenheitslösung, die dennoch stark nachgefragt ist. 80 Prozent der Kinder der unteren jahrgangsgemischten Klassen (1. bis 3. Klasse) haben einen Hortvertrag.
Der Bedarf ist da, die Akzeptanz ist groß, das bestätigt das Deutsche Institut für pädagigische Forschung (DIPF), das die Entwicklung ser Ganztagsschulen seit 10 Jahren wissenschaftlich begleitet. Gute Ganztagsschulen, sagt Leiter Eckart Klieme in einem aktuellen Interview, haben Vorteile: „das Sozialverhalten entwickelt sich positiver, das Risiko einer Klassenwiederholung sinkt, Familien fühlen sich entlastet vom Hausaufgabenstress. Sogar auf die Noten hat der Ganztag einen positiven Effekt“.
Und: „Man darf sich nicht damit begnügen, getrennt vom Unterricht eine Betreuung zu organisieren. Auch Lehrkräfte sollten im Ganztag tätig sein, mit Sozialpädagogen und anderen Fachleuten eng zusammenarbeiten. Ein guter Ansatzpunkt ist etwa, neu über Hausaufgaben nachzudenken: Wie können wir Übungszeiten in den Schultag integrieren? Wie können wir optimale Unterstützung für Lernen im Ganztag organisieren – sei es durch die Schüler untereinander oder durch qualifizierte Betreuer?“
Qualifizierte Betreuer, das sind in erster Linie ausgebildete Lehrer, darüber waren sich das Kollegium und die Eltern der Kronachschule immer einig. Vielleicht wird sich diese Einsicht ja doch noch einmal in Politik und Verwaltung durchsetzen.
Der Running Gag:
Das Dach des HauptgebäudesContainer, Sporthallendach, Ganztag: abgehakt. Der „running gag“ der Schule in der Moltkestraße wird wohl bleiben: das Dach des Hauptgebäudes. Das Haus wurde 1983 fertig gestellt. „Der frühere Hausmeister hat mir berichtet, dass es schon am Tag der Eröffnungsfeier reingeregnet hat“, erzählt Rainer Belusa. Seit diesem Tag kämpft die Schule mit Feuchtigkeit nach jedem stärkeren Regen. Betroffen sind immer verschiedene Ecken des Gebäudes. „Mal hier, mal da“, seufzt Belusa, und zeigt resigniert in verschiedene Richtungen.
Die Konstruktion des Flachdachs nennt sich Nassdach, und ist laut Wikipedia „nicht mehr zeitgemäß“: „Die zugrundeliegende Theorie ist, dass das stehende Wasser im Winter gefriert und für eine zusätzliche Wärmedämmung sorgt. Im Sommer soll es durch die Verdunstungskälte des Wassers zu einer Kühlung des Gebäudes kommen. Das Wasser soll Temperaturschwankungen im Gebäude reduzieren und als Klimapufferung wirken. Da Flachdächer jedoch sehr oft nicht völlig dicht sind, ergeben sich aus dem stehenden Wasser häufig schadenträchtig Probleme.“
Auch die Kronachschule kämpft mit dem Wasser: 1992 wurde ein Teil des Daches repariert. Eine komplette Sanierung wurde 1998/99 durchgeführt. „Einen Monat später hatten wir den nächsten Wasserschaden“, so Rainer Belusa. Das lästige Phänomen, das er selbst als „running gag“ bezeichnet, wird der Schulleiter wohl an seine/n Nachfolger/in weitergeben.
Ob er das Vertrauen in die Fähigkeiten des zuständigen Bezirksamtes noch habe?
Was folgt, ist Schweigen.
Das ist bei Rainer Belusa sehr sehr selten.Daniela von Treuenfels
Der temporäre Bau, der mobile Unterrichtsraum oder schlicht Pavillon, dessen Baugenehmigung abgelaufen ist – hat seine besten Tage längst hinter sich. Das wird vor allem im Inneren des Gebäudes sichtbar.
Lehrer und Kinder geben sich viel Mühe, dem Haus ein freundliches Gesicht zu geben.
Großes Engagement: Die Kronach-Schule hat eine aktive Elternvertretung – und einen starken Förderverein:
Und bald: ist Weihnachten.