Versuchen wir doch mal, uns eine Schule vorzustellen, die moderner Pädagogik entspricht. Können wir überhaupt abstrahieren von den Schulen, die wir kennen, in denen wir selber unterrichtet wurden? Der Architekturprofessor Peter Hübner sagt: »Mich irritiert stets, dass sie in Wahrheit gar keine Schulen sind. Wir sehen keine Orte für das Leben und Lernen, sondern Kasernen. An langen Fluren steht ein Raum neben dem anderen stramm. Alle Klassenzimmer haben dieselbe Form. … Das ist eine industrielle Form, der die Massenabfüllung als Idee zugrunde liegt«. (Peter Hübner 2009)
Wie sähe eine Schule aus, wenn es bisher noch keine Schulen gegeben hätte, wenn sie heute erfunden würde? Denken wir uns mal unsere schönen Schulbauten aus dem 19. Jahrhundert weg, die ja damals besonders prachtvoll wirken sollten, weil die Schule als herausgehobene Bildungsanstalt öffentlich sichtbar sein sollte. Wenn sich Bauherren und Architekten ohne Kenntnis vergangener und heutiger Schulbauten neu darüber verständigen müssten, wie Gebäude gestaltet sein sollen, in denen Kinder, durch Lehrerinnen und Lehrer begleitet, optimale Bedingungen fürs Lernen vorfinden. Ausgehend von moderner Pädagogik, den Erkenntnissen der Lernforschung sowie unter ästhetischen Kriterien. Mit Sicherheit sähen sie anders aus als die, die wir kennen, und mit Sicherheit wären es keine Modularen Ergänzungsbauten (MEB), die derzeit reihenweise in Berlin aus dem Boden gestampft und von den Verantwortlichen als schnelle, kostengünstige, effiziente Lösung aller Raumprobleme dargestellt werden.
Bei den Berliner Schulen klafft zusehends eine enorme Lücke zwischen vorhandener Infrastruktur und aktuellem Bedarf. Der Schuldenabbau in den vergangenen Jahren ist an vielen Stellen auf Kosten von Zukunftsinvestitionen vorangetrieben worden. Die gute Lage auf dem Kreditmarkt führte in Berlin offenbar zu keiner spürbaren Ausweitung der Investitionstätigkeit. Was sind die Folgen dieser Investitionszurückhaltung? Berlin entgehen hohe Möglichkeiten zum zinskostengünstigen Abbau des Investitionsstaus und zur Reduzierung von Folgekosten. Denn wenn die Instandhaltung nicht vorgenommen wird, kann der Ersatz später viel teurer werden. In der Summe veraltet so die Infrastruktur. Die Erfahrung aus allen empirischen Untersuchungen zeigt, dass dann auch die gesamtwirtschaftliche Produktivität leidet.
Die Antwort der Senatsbildungsverwaltung auf die Frage in einem Beitrag von Frontal 21 vom 30.06.2015, ob die 2015 zusätzlich für Schulsanierung in Berlin im Rahmen des SiWa Programms bereitgestellten 108 Millionen ausreichen würden, lautete schlicht: „Nein“.
Der BEA Steglitz-Zehlendorf fordert daher seit Jahren, langfristige Konzepte und Planungen auch im Hinblick auf die finanzielle Bereitstellung von Haushaltsmitteln zu entwickeln. Immer noch fehlt der Fahrplan, die Unterscheidung zwischen Sofortmaß-nahmen und einer mittel- bis langfristigen Strategie; diese Fragen müssen dringend insgesamt für das Land Berlin geklärt werden, bevor neu bewertet werden kann, ob die Mittelhöhe angemessen ist. Die SiWa –Mittel unterliegen der Konjunktur. Kein Politiker kann und wird seriös behaupten, dass diese Mittel auch in den nächsten 10 Jahren sprudeln werden, um den Sanierungsstau bei den Berliner Schulen in absehbarer Zeit abzutragen.
Letztendlich ist es – wie so oft – eine Frage der Prioritätensetzung, welche Bedeutung politische Verantwortliche der Schulsanierung und Neubauten zukommen lassen – und damit verbunden, welche Wertschätzung Kinder – unsere Zukunft und unser kostbarstes Gut – erfahren:
Es ist höchste Zeit, diesen Diskussionsprozess über die Gesamtstrategie bei Schulsanierung und Schulneubau mit allen Verantwortlichen auf Landes- und Bezirksebene systematisch zu beginnen – Doch wann und wer macht den ersten Aufschlag? Wer führt die Akteure sichtbar und zielorientiert zusammen, wer begeistert für die Sache?
Auch die bisherigen Forderungen des BEA Steglitz-Zehlendorf haben leider noch nicht ihre Aktualität verloren:
♦Einführung eines professionellen transparenten Gebäudemanagements: Sofortiger Beginn der Erstellung eines Rahmenplanes für alle Berliner Schulen analog dem Hamburger Modell des Landesbetriebs „ Schulbau“ möglichst unter Nutzung der vorhandenen Datenbank der BIM, in der bereits alle Schulen Berlins katalogisiert wurden.
♦ Abschaffung aller Sonderprogramme, stattdessen jährliche Erhöhung und Verstetigung der Haushaltsmittel für Schulsanierungen auf Landesebene
♦ Einstellung von professionellen Projektverantwortlichen und von zusätzlichem Personal für die Hochbauämter
♦ Mut und Kreativität für unkonventionelle Lösungen
♦ Definition von Mindeststandards für die Qualität von Schulgebäuden
♦ Ein Modellversuch regionales Gebäudemanagement Schulbau, beginnend im Berliner Südwesten
Wenn wir etwas gemeinsam erreichen wollen, muss zunächst klar sein, dass Bildungspolitik kein Thema nur für Sonntagsreden von Politikern sein darf, sondern Bildungspolitik alle politisch Verantwortlichen etwas angeht – auch und insbesondere den Finanzsenator und alle Haushälter im Berliner Abgeordnetenhaus!
Mit seiner berühmten „Ruck-Rede“ hat Roman Herzog bereits 1997 eine kritische Bilanz unserer gesellschaftlichen Situation gezogen, die an Aktualität eher noch zugenommen hat. Dabei hob der Ex-Bundespräsident vor allem hervor, dass wir „kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“ haben, dass es uns nicht „an Analysen, sondern am Handeln“ fehlt. Und dieses Bewusstsein fehlt uns in Berlin – der BEA Steglitz-Zehlendorf fordert dieses jetzt ein!
Der Vorstand des BEA Steglitz-Zehlendorf
Birgitt Unteutsch, Vorsitzende