Zwei Jahre Bustransfer: „Wie sollen wir das durchhalten?

Es ist geschehen. Zum ersten Mal in der nun schon lange andauernden Diskussion um die maroden Berliner Schulen soll nun eine Schule abgerissen werden, weil eine Sanierung teurer wäre als der Abriss und Neubau. Die Franz-Carl- Achard-Grundschule in Kaulsdorf (Marzahn-Hellersdorf) ist seit rund drei Monaten gesperrt.

Ebenfalls ein Novum: Als Ersatz soll das neue Schulgebäude komplett aus „Modularen Ergänzungsbauten“ errichtet werden. Bisher wurden die Fertigteilbauten nur dort in Erwägung gezogen wo das Geld für Neubauten in herkömmlicher Bauweise fehlte. An nicht wenigen Standorten, vor allem im kinderreichen Pankow, gibt es einen hohen Bedarf aufgrund steigender Schülerzahlen oder Erweiterung des Ganztagsbetriebes.

Auf eine hohe Qualität und innovative Raumkonzepte wird man hier nicht hoffen dürfen. Doch die Eltern in Kaulsdorf haben  im Moment ganz andere Sorgen. Die Kinder nutzen derzeit einen Shuttle-Dienst, der sie in ein 10 Kilometer entferntes Ausweichquartier bringt. Der Alltag der Familien wird ganz schön durcheinandergewirbelt:

Große Busse – lange Wege

Das Schulgebäude der Franz-Carl-Achard-Grundschule in Kaulsdorf im Bezirk Marzahn-Hellersdorf ist seit dem 2. September 2015 gesperrt. Seit mehreren Jahren ist dem Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf die Sanierungsbedürftigkeit des Gebäudes bekannt und wegen Einsturzgefahr wurde in 2013 bereits die an das Gebäude angrenzende Turnhalle der ehemals sport-orientierten Schule gesperrt.

Schüler der Franz-Carl-Achard-Grundschule vor ihrem gesperrten Schulgebäude
Schüler der Franz-Carl-Achard-Grundschule vor ihrem gesperrten Schulgebäude

 

Die seit Kenntnis des Hausschwammbefalls durchgeführten Sicherungsmaßnahmen haben nicht verhindert, dass nun das gesamte Schulgebäude geschlossen wurde. So erfolgte zu Beginn dieses Schuljahres innerhalb weniger Tage erst die Sperrung einer Etage und damit verbunden die Umsetzung mehrerer Klassenverbände, dann die Sperrung eines Treppenhauses. Da durch die Teilschließung Fluchtwege entfielen, wurde letztlich die Sperrung des gesamten Gebäudes innerhalb eines Tages verfügt, und dies so plötzlich, dass die Eltern die Schulkinder noch im Laufe des Vormittags aus der Schule abholen mussten.

Da keine andere wohnortnahe Ausweichmöglichkeit besteht, fahren die rund 380 Schüler mit Lehrern und Horterziehern nun jeden Tag mit Bussen in ein 10 Kilometer entferntes Schulgebäude (welches zur Nutzung durch eine andere Schule vorgesehen war), um den Schulbetrieb aufrecht zu erhalten.

Schüler und Lehrerin der Franz-Carl-Achard-Grundschule beim morgendlichen Buseinstieg zur Fahrt in das 10km entfernte Ausweichgebäude
Schüler und Lehrerin der Franz-Carl-Achard-Grundschule beim morgendlichen Buseinstieg zur Fahrt in das 10km entfernte Ausweichgebäude

Das heißt für die Erst- bis Sechstklässler unter anderem morgens eher aufstehen, Busfahrten von jeweils einer halben bis dreiviertel Stunde durch den Berufsverkehr und nachmittags fast keine Möglichkeiten zu normalen Aktivitäten im Hort oder nach der Schule, weil dafür die Zeit fehlt – alles muss auf die festgelegten Buszeiten ausgerichtet werden. Diese für alle – Schüler, Lehrer, Erzieher und Eltern – zeit- und nervenraubende Situation soll noch mindestens 2 Jahre so bestehen bleiben. In dieser Zeit soll das alte Schulgebäude abgerissen und ein Modularer Ergänzungsbau an der Stelle errichtet werden, wofür jedoch noch die Finanzmittel und Genehmigungen fehlen. Für uns alle – Schüler, Lehrer, Erzieher und Eltern – ist nicht klar, wie wir die mindestens 2 Jahre mit dem Transfer, der fehlenden Zeit und der psychischen Belastung durchhalten sollen…

Ira Weinberg, Elternvertreterin

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Uwe Loser schreibt:

Zum Andenken an Franz Carl Achard und ersten Hersteller von Rübenzucker. Die 10G31 Franz-Carl-Achard-Grundschule ist seit dem dritten Schultag im Schuljahr 2015/16 geschlossen wurden. In Kaulsdorf gab es nur zwei Grundschulen, keine weiterführende Schule bei rund 160 Kinder je Jahrgang mit Stand 31.12.2014.
Kurze Beine – kleine Wege hat man vielleicht bei den Wichtelmännchen vergessen in Auftrag zu geben. Es wäre so genial und notwendig, südlich der B1 im Stadtteil eine Grundschule wieder zu haben. Die Benachteiligung des Stadtteils ist unglaublich.

Seine Wut und Verzweiflung hat der Kaulsdorfer in kreative Bahnen gelenkt und der Leserschaft des Adventskalenders ein Gedicht geschrieben:

So viel Heimlichkeit,
in der Weihnachtszeit!
Meine Grundschule ist verschwunden,
hab nicht mal den Hort gefunden.
So viel Heimlichkeit,
in der Weihnachtszeit!

So viel Heimlichkeit,
in der Weihnachtszeit!
Ja die 10G31 muss jetzt weg,
steht bald nicht mehr am alten Fleck.
So viel Heimlichkeit,
in der Weihnachtszeit!

So viel Heimlichkeit,
in der Weihnachtszeit!
Ja der Holzschimmel riecht so lecker,
ähnlich wie beim Zuckerbäcker.
So viel Heimlichkeit,
in der Weihnachtszeit!

So viel Heimlichkeit,
in der Weihnachtszeit!
Die Turnhalle war schon lang verboten,
so gibt es keine guten Noten.
So viel Heimlichkeit,
in der Weihnachtszeit!

So viel Heimlichkeit,
in der Weihnachtszeit!
Vielleicht wird 2018 eine MEB stehn,
sonst müssen Kinder lange gehn.
So viel Heimlichkeit,
in der Weihnachtszeit!